MFG - Die Bewohner des Sonnenhofs
Die Bewohner des Sonnenhofs


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St. Pöltens gute Seite

Die Bewohner des Sonnenhofs

Text Sascha Harold
Ausgabe 09/2015

Im Hotel Sonnenhof in Eichgraben herrscht derzeit Hochkonjunktur. Das hat allerdings weniger mit der touristischen Attraktivität des Wiener Speckgürtels zu tun. Denn seit Dezember sind hier, derzeit 23, Asylwerber untergebracht. Die Initiative Mosaik hat die Fremden willkommen geheißen, organisiert Deutschkurse, sorgt für gesellschaftliche Integration – und machte die Gemeinde so zum Musterbeispiel für Flüchtlingshilfe.

Im letzten Jahr hat sich die Gemeinde Eichgraben zu einem Musterbeispiel für die Unterbringung und Integration von Asylwerbern entwickelt. In den letzten Monaten kam auch mediale Aufmerksamkeit dazu. So ist Bürgermeister Martin Michalitsch einigermaßen überrascht, dass wir die Aktivitäten der Gemeinde noch nicht kennen. „Eichgraben hat eine lange Tradition der Hilfsbereitschaft, über die letzten Jahrzehnte waren immer wieder Flüchtlinge in der Gemeinde untergebracht.“ Einer breiteren Öffentlichkeit wurde das 2007 durch den Spielfilm „Der schwarze Löwe“ nähergebracht. Der Film handelt von der Integration dreier Asylwerber in den lokalen Fußballverein und beruht auf wahren Ereignissen – aus der Gemeinde Eichgraben. Vergangenes Jahr wurde die Gemeinde nun wieder aktiv, suchte nach möglichen Quartiergebern und kam mit Isabella Sutter ins Geschäft. Die ehemalige FPÖ Gemeinderätin hat als Betreiberin des Hotels Sonnenhof bereits Erfahrungen mit der Unterbringung von Flüchtlingen. Schon 1968 kamen im Rahmen des Prager Frühlings Flüchtlinge aus der ehemaligen Tschechoslowakei in der Gemeinde unter. Die Tradition setzte sich in den 90er Jahren, bedingt durch die Balkan-Kriege, hindurch fort und ist heute angesichts der Kriege im Nahen Osten wieder aktuell.
Derzeit sind im Sonnenhof 23 Personen untergebracht, viele davon aus Syrien und dem Irak. Zu einem Großteil handelt es sich dabei um junge, alleinstehende Männer zwischen 20 und 30 Jahren, aber auch ein Paar aus Georgien hat in Eichgraben ein vorläufiges Zuhause gefunden. Während sich Sutter für Kost und Logie verantwortlich zeigt, haben einige Bürger eine Initiative gegründet, die bei der Integration der Bewohner helfen soll. Bereits im Herbst vergangenen Jahres, also noch bevor die ersten Asylwerber aufgenommen wurden, nahm Bürgermeister Michalitsch Kontakt mit einigen Frauen, darunter Sissi Hammerl, die das Nachbargrundstück bewohnt, auf und fragte ob grundsätzlich Bereitschaft bestünde auf freiwilliger Basis Aktivitäten für die Gäste zu organisieren. Hammerl zögerte nicht und so entstand die „Initiative Mosaik“, die seit Dezember auf einen fixen Kern von etwa zehn Personen, überwiegend Frauen, angewachsen ist. Viele sind damit beschäftigt regelmäßig Deutschkurse anzubieten, um so die Grundlage für gesellschaftliche Integration und etwaige Jobsuche nach Abschluss des Asylverfahrens zu legen. Denn etwa ein Drittel der Bewohner im Sonnenhof sind Akademiker, bringen also Qualifikationen mit, die auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gebraucht werden könnten. Cecilia Thurner, ebenfalls Mosaik, bringt die Situation auf den Punkt: „Wir haben im Sonnenhof so viele verschiedene Berufsgruppen, es wär schad, wenn die alle Taxi fahren würden.“ Vor Abschluss des Asylverfahrens sind die Tätigkeiten ohnehin begrenzt. Etwa vier Stunden pro Woche arbeiten einige Asylwerber im örtlichen Bauhof mit, der Job ist begehrt, vor allem weil er Abwechslung bringt. Auch sonst bemüht man sich Beschäftigungen zu finden. Die Pächterin eines Reithofes beschäftigt beispielsweise täglich zwei Aslywerber für die Pflege der Pferde im Austausch gegen kostenlosen Reitunterricht. Ein Angebot, das von allen dankend angenommen wird. Auch sonst werden Ausflüge und Veranstaltungen wie Konzerte oder gemeinsames Kochen organisiert, um die Menschen einander näher zu bringen.
Die Zimmer im Hotel entsprechen den dafür vorgeschriebenen Standards, Luxus darf man keinen erwarten. Überhaupt sind den Damen der Initiative Mosaik die vielen Gerüchte rund um Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen ein Dorn im Auge. Es werde viel Unwahres gesagt, was die Höhe der Unterstützung angehe, auch in der Gemeinde bemerke man den Neid in Teilen der Bevölkerung. „Wenn die Leute wüssten, wie‘s in der Realtiät ausschaut, ich glaube nicht, dass jemand tauschen wollte“, ist Karin Rotheneder von Mosaik überzeugt.
STEFAN CECH, VEREIN WOHNEN
„Wir arbeiten am sozialen Gleichgewicht!“, so prangt es auf der Homepage des „Verein Wohnen“. Dessen Ziel ist die Vermittlung von Wohnungen an Menschen in sozialen Notlagen.
Eines der Aufgabengebiete betrifft auch die vorübergehende Unterbringung von Asylwerbern – in Kooperation mit dem Land Niederösterreich. Im Gegensatz zu den großen Erstaufnahmestellen werden die Menschen beim „Verein Wohnen“ in kleinen Wohneinheiten untergebracht und sind selbst für die Verpflegung verantwortlich. Die Unterbringung funktioniert dabei weitgehend frei von Problemen: „In den Gemeinden, wo wir sind, steht eigentlich die ganze Gemeinde dahinter“, erzählt Stefan Cech, Mitarbeiter in der Wohnungsbetreuung über seinen Arbeitsalltag. Die Menschen seien überwiegend zufrieden mit der Unterbringung, weil genügend Platz vorhanden ist und durch die eigene Wohnung ein Stück Selbstständigkeit zurückgegeben werde. Nach Abschluss des Asyl-Verfahrens gewährt eine Übergangsfrist von vier Monaten den Bewohnern Zeit, um nach alternativen Quartieren zu suchen. Nach Ablauf der Frist muss die Wohnung wieder frei gemacht werden.
„JEDER KANN ETWAS TUN!“
Neben organisierten Institutionen zeigt auch die Zivilgesellschaft zunehmend Flagge. Bürger, die kostenlos Deutschunterricht geben, Buddies, die Flüchtlinge bei ihren ersten Schritten in Österreich begleiten, Blaulichtorganisationen, die neben grundlegender Hilfe auch kurzfristig an heißen Sommertagen mit Wasser helfen, eine Parteilandesorganisation, die Geld zur Sanierung von potenziellen Privatquartieren sammelt, ein Pfarrer, der bei ausländerfeindlichen Demos die Kirchenglocke dauerläutet, Menschen, die am Westbahnhof ankommende Asylwerber mit Getränken, Hygieneartikeln oder einfach nur einem symbolischen Willkommensschild in der Hand empfangen, Menschen, die spenden oder selbst zu Spenden aufrufen und so ganz „nebenbei“ auch gleich Sammlung und Transport organisieren – Menschen wie zum Beispiel Hari Gonaus.
Bewusst geplant hat er das aber nicht, sondern „das wurde ein Selbstläufer.“ Nachdem Gonaus von den Meldungen aus Traiskirchen erschüttert war, „wollte ich mir selbst ein Bild vorort machen.“ Als er seine Erfahrungen auf seiner Facebook-Site niederschreibt und am Schluss hinweist, dass er nochmals hinfahren wird, „habe ich sofort an die zehn Anfragen von Freunden gekriegt, die gesagt haben, sie wollen auch etwas mitgeben. Da dachte ich, okay, ich mache eine eigene Seite auf!“ Diese nannte er schlicht „St. Pölten hilft Traiskirchen“, „und die ist durch die Decke gegangen.“
Innerhalb kürzester Zeit hatte Gonaus über 1.100 Likes, alle wollten helfen! „Im ersten Moment hab ich durchgeschnauft und gedacht – okay, wie mach ich das jetzt?“ Um all die Spenden unterzubringen, treibt er schließlich – mit Hilfe von Martin Rotheneder und der Stadt – den frei:raum als zwischenzeitiges Lager auf, wohin die Leute ihre Spenden bringen können. „Das war innerhalb kürzester Zeit voll.“ Die Spenden bringt er abermals nach Traiskirchen. „Es war ja so, dass ich nie zur eigentlichen Sammelstelle gekommen bin, sondern – als ich vielleicht 40 Meter davor den Kofferraum aufgemacht habe – schon viele Flüchtlinge Sachen genommen haben, aber alles sehr geordnet und alle sehr freundlich.“
Als man in Traiskirchen nur mehr Hygieneartikel braucht, bestückt Gonaus auch die Diakonie oder den Samariterbund Wien. „Den Rest haben die Grünen abgenommen. Jetzt sind nur mehr gefühlte 1.800 Plüschtiere über“, lacht er, den die Spendenbereitschaft tief beeindruckt hat. „Die Leute können wirklich stolz auf sich sein. Dass man nicht wegschaut, sondern hilft, das sollte die Grundeinstellung sein! Nicht, dass einem alles egal ist oder, noch schlimmer, dass man auf die armen Menschen noch hintritt!“
Von der Politik ist er tief enttäuscht und ortet „ein akutes Versagen. Die schieben sich doch immer nur gegenseitig die Schuld zu. Und wenn sogar ein ehemaliger Politiker wie Erhard Busek annimmt, dass die bevorstehende Wien-Wahl eine Rolle spielt, dann sagt das schon alles. Die Verantwortlichen richten sich nach Wahlen, nicht nach Menschen – das ist der größte Fehler.“
Ebenso wenig versteht Gonaus die fehlende Solidarität auf EU-Ebene. „Bei Griechenland trafen sich jede Woche die Finanzminister. In der Asylfrage hört man aber nichts von permanenten Innen- und Außenminister-Treffen, da geht nichts weiter.“
Weitergehen wird aber, davon ist er überzeugt, die Ankunft von Flüchtlingen. „Das Ding ist ja nicht vorbei, solange es Krieg gibt! Wir werden daher auch die Facebook-Seite nicht schließen, wo man sich über das Thema austauschen und koordinieren kann.“

... analoge Beiträge:

Foto zVg

Können Sie sich an eine derartige Situation schon einmal erinnern bzw. was ist neu daran?
Prinzipiell muss man sagen, dass uns Asylanträge, Fremdenwesen oder Schlepperei nichts Fremdes sind. Historisch betrachtet war Niederösterreich als Schengen-Außengrenze jahrelang mit einer Grenze von fast 480 Kilometer konfrontiert. Erst mit der Schengen-Osterweiterung 2007 hat sich diese Dimension deutlich verringert, wobei schon damals – wie heute – die Schleierfahndung, also die  ...


Foto zVg

Asyl scheint in Österreich ein sensibles Thema zu sein. Kompetenzen werden konsequent ab- und weitergeschoben, mit unverbindlichen Quotenregelungen will man Gemeinden zum Einlenken bringen. Weitgehenden Konsens gibt es bis dato nur in der Feststellung, dass kleine, dezentrale Unterbringung von Kriegsflüchtlingen besser sei als in Massenlagern. Traiskirchen erfüllt dabei vor allem in den letzten Wochen die Rolle des Schreckensbildes, das besorgte Bürger gegen Asylheime im Umland des eigenen  ...


Foto Nadja Meister

Wer hat Schuld an der Zuspitzung der Lage?
Ich will nicht von Schuld reden, aber vielleicht von einem teilweise bewussten Wegschauen, weil sich mit dem Thema „Asyl“ halt leider Politik machen lässt, wenn man bei rechtsorientierten Parteien auf Wählerstimmenfang geht. Da steckt also möglicherweise schon ein politisches Kalkül dahinter. Aber in dieser Form, dass es gar Obdachlose gibt, das hat sicher niemand geplant oder gar gewollt – da ist die Situation schlicht grob  ...


Foto zVg

Wie kann man sich das prinzipiell systematische Prozedere der Unterbringung von Asylwerbern in Niederösterreich vorstellen? Wie werden Quartiere ausgesucht, wie Kommunen?
Grundsätzlich laufen alle Angebote und Listen in der Fachabteilung des Landes zusammen und werden in vielen Arbeitsschritten abgearbeitet, das reicht von der Besichtigung, über Gespräche mit den Betreibern bis hin zu Vertragsausfertigung etc. Quartiere werden einerseits angeboten, andererseits über Betreiber  ...


Foto zVg/BMI

Um mit einer berufsspezifischen Frage an Sie als Sprecher des Ministeriums, also als PR-Beauftragter, zu beginnen: Haben Sie medientechnisch eine ähnliche Situation wie diese schon einmal erlebt?
Also in dieser Intensität war in den letzten vier Jahren nur die Refugee-Bewegung vergleichbar – Stichwort Besetzung Votivkirche. Und es handelt sich hierbei nicht von ungefähr um dasselbe Thema, weil dieses einfach extrem hoch emotionalisiert ist.

Worauf führen Sie das  ...


Foto pixelleo - Fotolia.com

FLÜCHLING-ASYLWERBER-MIGRANT
Wir können nicht alle aufnehmen, die arm sind
Flüchtlinge sind nach dem österreichischen Asylgesetz Menschen, die in ihrer Heimat persönlich von Gefahr bedroht sind und etwa aus rassischen, religiösen, politischen u.ä. Gründen verfolgt werden. Österreich (wie 146 weitere Staaten) hat sich mit Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich dazu verpflichtet, diese Menschen zu schützen. 2014 lebten nach  ...